Homo Faber by Max Frisch

Homo Faber by Max Frisch

Autor:Max Frisch [Frisch, Max]
Format: epub
ISBN: 3518368540
Herausgeber: Distribooks Int'l+inc
veröffentlicht: 2009-02-25T05:46:09+00:00


Mittel der Kommunikation, die uns die Welt ins Haus liefern, es ist

ein Atavismus, von einem Ort zum andern zu fahren. Sie lachen, meine Herren, aber es ist so, Reisen ist ein Atavismus, es wird kommen der Tag, da es überhaupt keinen Verkehr mehr gibt, und nur noch die Hochzeitspaare werden mit einer Droschke durch die Welt fahren, sonst kein Mensch - Sie lachen, meine Herren, aber Sie werden es noch erleben!

Plötzlich stand er in Paris.

Vielleicht hat er darum immerzu gelacht. Vielleicht stimmt's gar nicht, daß er (wie es hieß) Magenkrebs hat, und er lacht, weil seit zwei Jahren jedermann sagt, daß die Ärzte ihm keine zwei Monate mehr geben, er lacht über uns; er ist so sicher, daß wir uns ein andermal sehen -

Die Konferenz dauerte knapp zwei Stunden. »Williams«, sagte ich, »I changed my mind.« »What's the matter?«

»Well, I changed my mind -«

Williams fuhr mich zu meinem Hotel; während ich darlegte, daß ich doch daran denke, ein bißchen auszusetzen, ein bißchen Ferien zu machen, frühlingshalber, zwei Wochen oder so, eine kleine Reise (trip) nach Avignon und Pisa, Florenz, Rom, war er keineswegs merkwürdig, im Gegenteil, Williams war großartig wie je: sofort bot er seinen Citroën an, da er anderntags nach New York flog. »Walter«, sagte er, »have a nice time!« Ich rasierte mich und kleidete mich um. Für den Fall, daß es mit der Opéra klappen sollte. Ich war viel zu früh, obschon ich zu Fuß in die Champs Elysees ging. Ich setzte mich übrigens in ein Café nebenan. Glasveranda mit Infra-Heizung, und hatte noch kaum meinen Pernod bekommen, als das fremde Mädchen mit dem Roßschwanz vorbeiging, ohne mich zu sehen, ebenfalls viel zu früh, ich hätte sie rufen können -

Sie setzte sich ins Café.

Ich war glücklich und trank meinen Pernod, ohne zu eilen, ich

beobachtete sie durchs Glas der Veranda, wie sie bestellte, wie

sie wartete, wie sie rauchte und einmal auf die Uhr blickte. Sie trug den schwarzen Kapuzenmantel mit den Hölzchen und Schnüren, darunter ihr blaues Abendkleidchen, bereit für die Opéra, eine junge Dame, die ihr Rouge prüft. Sie trank Citron-pressé. Ich war glücklich wie noch nie in diesem Paris und wartete auf den Kellner, um zu zahlen, um gehen zu können - hinüber zu dem Mädchen, das auf mich wartet! - dabei war ich fast froh, daß der Kellner mich immer wieder warten ließ, obschon ich protestierte; ich konnte nie glücklicher sein als jetzt. Seit ich weiß, wie alles gekommen ist, vor allem angesichts der Tatsache, daß das junge Mädchen, das mich in die Pariser Opéra begleitete, dasselbe Kind gewesen ist, das wir beide (Hanna auch) mit Rücksicht auf unsere persönlichen Umstände, ganz abgesehen von der politischen Weltlage damals, nicht hatten haben wollen, habe ich mit mehreren und verschiedenartigen Leuten darüber gesprochen, wie sie sich zur Schwangerschaftsunterbrechung stellen, und dabei festgestellt, daß sie (wenn man es grundsätzlich betrachtet) meine Ansicht teilen. Schwangerschaftsunterbrechung ist heutzutage eine Selbstverständlichkeit. Grundsätzlich betrachtet: Wo kämen wir hin ohne Schwangerschaftsunterbrechungen? Fortschritt in Medizin und Technik nötigen gerade den verantwortungsbewußten Menschen zu neuen Maßnahmen. Verdreifachung der Menschheit in einem Jahrhundert.



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